Im Internet finden sich einige Artikel zu feministischem Kampfsport, Kampfkunst, zu feministischen Methoden im Training und über einen feministischen Ansatz bei der Vermittlung von Techniken der Selbstverteidigung. Doch was bedeutet das und ist Wing Chun eine feministische Kampfkunst?

Erst einmal etwas zur Definition von Feminismus. Danach schauen wir uns die Geschichte des Wing Chun an und welchen Einfluss Frauen bei der Entstehung dieser Kampfkunst-Art hatten. Dann schauen wir uns die Texte im Internet an und vergleichen das Wing Chun Training mit dem dort beschriebenen.

Feminismus

Feminismus beinhaltet viele Aspekte, die hier nicht alle aufgeführt werden sollen. Daher nur eine kurze Definition laut Wikipedia. Danach ist "Feminismus (von lateinisch femina "Frau" ) ein Oberbegriff für gesellschaftliche, politische und akademische Strömungen und soziale Bewegungen, die, basierend auf kritischen Analysen von Geschlechterordnungen, für Gleichberechtigung, Menschenwürde und Selbstbestimmung aller Menschen jeglichen Geschlechts sowie gegen Sexismus eintreten und diese Ziele durch entsprechende Maßnahmen umzusetzen versuchen." (Quelle)

Herauszustellen soll sein, dass der Feminismus vor allem steht für: Gleichberechtigung, Menschenwürde und Selbstbestimmung aller Menschen jeglichen Geschlechts und sich gegen Sexismus stellt.

Feminismus und die Geschichte des Wing Chun

Während bei vielen Kampfsportarten und Kampfkünsten die Erfinder Männer waren, wird im Wing Chun als maßgeblich eine Frau, die Nonne Ng Mui (kantonesisch. Auf chinesisch Wú Méi) genannt. So nennt zum Beispiel Judo Herr Kanō Jigorō. Im Jiu Jitsu wird Herr Akiyama Shirobei Yoshitoki genannt und nachfolgend waren es Samurai (was vor allem Männer waren), die es weiterentwickelten. Im Karate kennen wir Gichin Funakoshi. Im Taekwondo sind es verschiedene Gründerväter. Im Aikido wird Herr Ueshiba Morihei genannt und beim Krav Maga ist es Herr Imrich Lichtenfeld. Herr Remy Amador Presas war der Gründer des modernen Arnis. Dies ist nur ein kleiner Auszug. Bei vielen anderen Stilen ist es nicht gesichert wer der oder die Gründer waren. Zum Beispiel Ringen, Boxen usw. Sicher gibt es auch Stile die von Frauen miterfunden oder erfunden wurden. So das Wen Do von dem Ehepaar Anne und Dr. Ned Paige und das Five-Pattern Hung Kuen von Ng Mui.

Ng Mui muss eine außergewgöhnliche Frau gewesen sein. Denn sie soll für verschiedene Stile verantwortlich sein oder zumindest soll sie Wesentliches zur Entstehung beigetragen haben. Weltweit bekannt ist Ng Mui aber für das Wing Chun Kuen Kung Fu.

Als Ng Mui das Wing Chun entwickelte, lebte in der Umgebung das schöne Mädchen Yim Wing Tsun. Der ebenfalls bekannte notorischen Schläger Wong begehrte das Mädchen sehr und es kam sicher öfter zu Streitereien. Als Ng Mui von den Problemen hörte nahm sie das Mädchen als Schülerin an. Denn vielleicht schon damals war Ng Mui so weise zu denken, dass Vorsicht und die Vorbereitung auf eine gewaltsame Auseinandersetzung mit einem Mann wichtig sind. Ng Mui unterrichtete das Mädchen einige Jahre und bereitete sie auf eine Notwehrsituation vor. Heute sprechen viele Vereine und Lehrer von "empowerment", also die Selbstbemächtigung, Selbstbefähigung und Stärkung von Eigenmacht und Autonomie. 

Man könnte also sagen, die Entstehungsgeschichte des Wing Chun ist ein sehr gutes Beispiel für einen feministischen Ansatz der Selbstbemächtigung, Selbstbefähigung und Stärkung von Eigenmacht und Autonomie von Frauen. Ng Mui überlässt Yim Wing Tsun nicht ihrem Schicksal ( möglicherweiße ein gewaltsamer Übergriff eines Schlägers auf eine Frau ), sondern befähigt das Mädchen sich selbst zu verteidigen.

Wie geht die Geschichte aus? Ganz einfach. Der Schläger Wong kassiert bei einem Kampf eine ordentliche Tracht Prügel und Yim Wing Tsun geht gestärkt aus dem Kampf heraus. Yim Wing Tsun konnte für sich selbst einstehen und sexuelle Nötigungen und Übergriffe hatten sicher ein Ende.

Als Yim Wing Tsun später ihren Verlobten Herrn Leung Bok Chau heiratete, gab sie ihrem Mann die Ideen und Techniken der gelernten Kampfkunst Wing Chun Kuen weiter. Also lernte ein Mann von einer Frau. In der alten Geschichte der Kampfkünste sicher ein erwähnenswerte Begebenheit (für eine Zeit, in der meist Männer die Lehrer waren).

Feminismus im Wing Chun Training

Neben der geschichtlichen Betrachtung ist der wichtigere Aspekt das heutige Wing Chun Training. Kann man sagen, dass das feministischen Ansprüchen genügt? Zu beachten gilt aber, dass der Ablauf des Trainings sicher abhängig ist von der jeweiligen Schule, Lehrerin / Lehrer und vielleicht sogar vom Verein oder dem Verband. Denn Vereine und Richtungen gibt es viele und noch mehr Variationen findet man wahrscheinlich auf der Ebene des Trainings vor Ort.

Für die Aufstellung der für uns relevante Aussagen werden nachfolgend von verschiedenen Pages Aussagen aus dem Netz gesammelt und das Wing Chun Training damit verglichen. Dabei wird mit der Suchmaschine Google gesucht und dann auf der Zielseite nach zum Thema passende Pasagen gesucht. Gesucht wird danach, was wird unter feministischer Kampfkunst/Kampfsport verstanden, worin unterscheidet sich das Training von nicht-feministischem Training. Gesucht werden also vor allem die Unterschiede. Berücksichtigung finden dabei keine Aussagen, die sich auf Themen beziehen wie gendergerechte Umkleiden, Toiletten, Texte auf Werbebanner oder sonstwo, ausliegende Flyer und ähnlichem. Es geht rein um das Training.

Googlesuche: feministische Kampfkunst

"Körper- und Leistungsnormen werden deutlich mehr reflektiert" (https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/kick-gegen-das-patriarchat)

"Beim feministischen Kampfkunst-Training werden Freiräume und persönliche Grenzen von allen Teilnehmenden berücksichtigt." (ebenda)

"das bedeutet in erster Linie, sich während der Übungen aufeinander einzulassen" (ebenda)

"Warum diese Art der Kampfkunst feministisch sei, möchte jemand wissen: Sind es die Achtsamkeit und das Vertrauen der Partnerin oder dem Partner gegenüber? Der Fokus liege nicht auf Stärke und Vergleich, sondern auf Kommunikation und Taktik..." (ebenda)

"Ein respektvoller Umgang miteinander ist uns ein zentrales Anliegen" (https://www.lowkick-berlin.de/de/ueber-uns.html)

Zusammenfassung

Bisher ergab die Suche nicht sonderlich viel her. Die meisten Sites erläutern nicht genau, was sie unter feministischer Kampfkunst verstehen oder erläutern ein Training, dass zu nicht-feministischem Training keine Unterschiede aufweist. Zumindest, wenn es sich um gutes Wing Chun Training handelt. Gutes Wing Chun Training bedeutet, dass man reflektiert und sich mit den anderen austauscht, Freiräume und Grenzen der Trainingspartner berücksichtigt, dass man sich auf sein Gegenüber einlässt, Achtsamkeit, Vertrauen stärkt und das der Fokus auf dem Miteinander liegt und nicht auf dem Gegeneinander.

Telefonate brachten diese Erkentniss: Ein Fokus des Trainings beinhaltet Rollenspiele und das Nachspielen von Situationen, in denen Gewalt ausgeübt wird. Haltung, Körpersprache und der Umgang mit der Gewalt werden reflektiert. Damit soll das reine Techniktraining erweitert werden um die Position, dass man die Gewalt vermeidet, sie im Ansatz erkennt und entsprechend handeln kann. Es handelt sich also um ein Selbstbehauptungstraining.

Darüber schreibt Spektrum (Quelle) [Selbstbehauptungstraining ist] "...Training zur Entwicklung von sozialen Kompetenzen und Durchsetzungsvermögen, zum “Nein-sagen-können” und Vertreten eigener Forderungen mit Nachdruck, zum Wahrnehmen eigener Stärken und Schwächen, Selbstbilder und Fremdbilder, das Entwickeln und Trainieren von Strategien, um die eigenen Interessen zu benennen und besser durchsetzen zu können."

Schlussbetrachtung

Wesentliche Aspekte eines guten Wing Chun Trainings werden als wichtige Aspekte eines feministischen Trainingsansatzes auf diversen Sites im Netz beschrieben. Wing Chun hat in seiner Entsstehungsgeschichte Frauen als Vorbilder, die für Selbstbehauptung und Durchsetzungsvermögen stehen. Ob Selbstbehautungstraining Teil des Trainings vor Ort ist, fragst du am besten den Trainer bevor du dich bei einem Verein oder einer Kampfsportschule anmeldest. Oder du machst den Vorschlag, dass diese Situations-und Rollenspiele (mehr) Teil des Trainingsaufbaus werden. Letztlich kann man feststellen, dass Wing Chun als Selbstverteidigung viele Aspekte einer feministischen Ausrichtung abdeckt.

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